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  Sein Werk:
Die aristotelische Metaphysik 

Ursprünglich nannte Aristoteles die Metaphysik die „erste Philosophie“, weil es um den Begriff des Seienden, das höchste Seiende und um die höchsten Prinzipien geht, denen das Seiende unterworfen ist, wobei das höchste Seiende das letzte Prinzip der Bewegung in der Welt und der Ordnung der Welt ist. Diese Wissenschaft vom Seienden war für Aristoteles die „Theologie“. Erst in der frühen Neuzeit erhielt sie den Namen „Ontologie“, als „Wissenschaft, die das Seiende als solches und das, was diesem an sich zukommt, betrachtet.“

Das Seiende im grundlegendem Sinne ist bei Aristoteles die Substanz. Sie existiert selbständig und ihr kommen Bestimmungen (Akzidentien) zu. Aristoteles benennt aber auch die Wesenheit eines Dinges mit Substanz. Diese Wesenheit im zweiten Sinne ist dasjenige, was allen Individuen einer Art gemeinsam ist und dem der allgemeinen Begriff entspricht. Dieses allgemein Gemeinsame ist die Form, die in allen Seienden einer Art gemeinsam ist und die sich durch Abstraktion aus der Wahrnehmung von Seienden gewinnen lässt. Für das Seiende gilt, dass sie nicht zugleich sein oder nicht sein können, sind oder nicht sind oder so oder nicht so sind. Diese von Aristoteles entwickelten Grundsätze sind in der Metaphysik als ontologische Prinzipien zu betrachten.

Im Bezug auf das Seiende spielen die Ursachen eine grosse Rolle. Der Begriff „Ursache“ ist in seiner Bedeutung bei Aristoteles weiter gefasst als das heute üblich ist. Im alltäglichen Sprachgebrauch wird gewöhnlich nur die „Wirk-Ursache“ benutzt. Bei Aristoteles gelten auch der Stoff, aus dem etwas besteht, die Form, die etwas zu einem so und so bestimmten Ding macht, und der Zweck, auf den es angelegt ist, als Ursache. Jedes Ding ist, was immer es im einzelnen sein mag, als (1) Stoff anzusehen, der (2) geformt, der durch (3) Einwirkungen entstanden ist und zu einem bestimmten (4) Zweck sein Dasein hat. Diese vier Ursachen lassen sich auch bei Seienden anwenden, die nicht menschliche Erzeugnisse sind. Lebewesen und Organismen hängen von bewirkenden Ursachen ab usw. Allerdings liegt bei ihnen eine innere Zweckmäßigkeit vor, die die Entfaltung des Organismus steuert. 

Diese innere Zweckmäßigkeit bezeichnet Aristoteles als „Entelechie“. Die Entelechie ist das Prinzip, das aus einem Keim , der noch keine Ähnlichkeit mit dem zu entwickelnden Organismus hat, durch Entwicklung zu dem Lebewesen seiner Bestimmung wird. Danach ist die gesamte Natur auf Gott als höchsten Zweck bezogen (spätere christliche Interpretation). In diesem Sinne lässt sich für Aristoteles die Zweckursache nicht nur bei Organismen, sondern auch bei beliebigen Seienden anwenden.

Zu weiteren zentralen Begriffen gehören zur aristotelischen Ontologie die Worte Potentialität (Möglichkeit, Vermögen, Dynamik) und Aktualität (Wirklichkeit, Energie). Mit Hilfe dieses Begriffspaares versucht Aristoteles das Werden mit seiner Philosophie zu erklären, das man seit den Eleaten, die das Problem aufwarfen, in der Philosophie begreiflich zu machen versuchte. Die Eleaten, besonders Parmenides, waren der Meinung, dass das Sein und damit die wahre Wirklichkeit unveränderlich sei. Hier versucht Aristoteles den bis dahin ungelösten Gegensatz zu überbrücken, der beinhaltet, dass die Erfahrung zeigt, das Entstehen, Vergehen und Veränderung tatsächlich in der Natur sinnlich wahrnehmbar sind, aber die wahre Wirklichkeit, das Sein, nach den Eleaten erkenntnistheoretisch keine Veränderung zulässt. Nach Aristoteles entspricht die innerweltliche Wirklichkeit unveränderlichen Wesenheiten, die als Formen der Dinge wahrgenommen werden. Sie liegen nicht jenseits der Erfahrungswirklichkeit, da sie aus konkreten substantiellen Dingen in Raum und Zeit bestehen. Ihre konstanten Formen werden im Werden verwirklicht, ohne selbst veränderlich zu sein.

Der Schlussstein seiner Metaphysik ist die Gotteslehre. Im Bereich der Dinge gibt es stets ein Mehr oder Weniger, Größer und Kleiner, Schnelleres und Langsames oder Besseres und Schlechteres. Diese Einteilung ist für die Bewertung der Dinge notwendig. Aristoteles hielt es für ausgeschlossen, dass diese Einstufungen nach oben ins Unendliche gehen und ohne Abschluß bleiben. Auf Grund dieser Wertstufung lässt sich auf ein Letztes und ein Höchstes schließen. Wo es seiner Meinung nach ein mehr oder weniger Gutes gab, gab es auch ein Bestes. Dieser höchste Wert war das Göttliche.

„Dinge, die bewegt werden, werden durch andere Dinge bewegt, die ihre Bewegung ihrerseits anderen Dingen verdanken und so weiter. Da die so entstehende Beweger-Reihe nicht unendlich sein kann - Aristoteles hielt einen Progreß ins unendliche für unmöglich-, muß sie ein erstes Glied haben, das heißt mit etwas beginnen, das zwar alles andere bewegt, selbst aber nicht mehr bewegt wird. Der unbewegte Ursprung aller Bewegung, zu dessen Wesenheit (ousia) die Aktualität (energeia) gehört, ist das Göttliche.“

Die Bewegung hat Aristoteles hier nicht mechanisch verursacht gemeint, sondern für ihn bewegt Gott die Welt mit einem Wort als Ziel bzw. Zweck. Er ist das oberste Prinzip, die Wirklichkeit auf das sich alles richtet. Die Unbeweglichkeit Gottes ist die Folge seiner Immaterialität. Da die Potentialität mit der Materialität zusammenhängt, ist es für ein Wesen, das unabhängig vom Stoff existiert, nicht möglich, sich zu ändern oder zu bewegen. Die Tätigkeit des höchsten Seienden muß daher eine Tätigkeit ohne Veränderung sein. Diese Tätigkeit ist das Denken als reine Schau und zwar das Denken, das sich ausschließlich nach Aristoteles auf das Göttliche richtet. Gott erschaut sich selbst. Diese ewige Schau ist die einzige Tätigkeit, die dem Unveränderlichen zugeschrieben werden kann, da nur das Göttliche die Bedingungen erfüllen kann, die Tätigkeit eines wahren Seins auszuüben, was ein bloßes Möglichsein ausschließt. Das Göttliche als reine Aktualität im Denken bildet den höchsten Punkt der hierarchischen Weltordnung.


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