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IV. Bomarzo der Park der aus dem Rahmen fällt

 

 

Der Bomarzo-Park hat viele Namen: „Parco dei Mostrie“, „Park der Ungeheuer“, „Park der Wunderdinge“, „Heiliger Wald“ oder „Heiliger Hain“. Er ist als Gartenkomposition tief in die Natur eingebettet, bzw. in die vorhandenen Felsen direkt hinein skulptiert worden. Wir betreten hier die äußerst geheimnisvolle Welt eines Aristokraten, der Anregungen aus antiken Erzählungen und aus Dichtungen der Ritterzeit in Bildform überträgt und Zitate von Dichtern wie Petrarca, Dante, Ariost und Tasso umdeutet.

 

Wir finden den Park in dem Ort Bomarzo bei Viterbo in der Region Latium unterhalb des Schlosses der Orsini.

 

Er stammt aus der Zeit des Manirismus und ist das Lebenswerk seines Auftraggebers und Initiators Vicino Orsini (1523-85). Über lange Zeit wurde der Garten seinem Schicksal überlassen, er geriet in Vergessenheit und wurde auch von der Vegetation im wahrsten Sinne des Wortes verborgen.

 

Der Schöpfer hat hier ein Reich der Skurrilitäten geschaffen. Man sieht verdrehte Plastiken, Monster, Giganten, Fabeltiere. Es sind monströse Kuriositäten, Misch- und Fabelwesen, Phantasieprodukte, Dämonenmasken und monumentale Vasen. Alles scheint verzerrt und übertrieben.

 

Falls es eine literarische Vorlage für den Garten gegeben haben sollte, könnte es das Vers-Epos „Amadigi“ von Bernardo Tasso, dem Vater Torquatos, gewesen sein. Der Held in dem Epos muss einen Zauberwald durchwandern. Er begegnet allen möglichen Schrecken und Verführungen, bis er dank seiner stoischen Haltung im Ruhmestempel anlangt.

 

Bomarzo war ein Privatgarten des 16. Jahrhunderts. Weltmüde Fürsten und Hof-Dandys fanden hier möglicherweise ein Schauer-Arkadien, eine Stimulans, eine künstliche Natur, in der Schönheit und Grauen sich mischen. Der Park galt Jahrhunderte lang in der Umgebung als eine Teufelslandschaft, in der Phantasie der Bauern sollen hier sexuelle Orgien gefeiert worden sein.

 

Dieser „Zauberwald“ birgt neben Monsterdarstellungen auch versteinerte Riesenfrüchte wie Eicheln und Pinienzapfen, die möglicherweise auf Fruchtbarkeit hindeuten könnten.

 

 

 

 

 

 

 

 

Zwei Symbole spielen eindeutig auf den Tod an:

 

Da ist zum einen das Tempel-Mausoleum, (Bild auf der Startseite der Gärten)die Tod-Wiedergeburt-Apotheose, ist laut Inschrift der Frau Orsinis, Guilia Farnese, gewidmet.

 

Zum anderen das Ungeheuer oder der Höllenschlund, eine groteske Riesenmaske. Man meint, in die Unterwelt einzutreten, wenn man unter der Lippen-Inschrift des Ungeheuers einen Satz aus Dantes Inferno, umgeformt und entdramatisiert, liest:

 

„Lasciate ogni pensiero o voi ch’ entrate“

(Lasst jeden Gedanken fahren, ihr, die ihr eintretet).

 

Im Innern befindet sich ein „kleines Esszimmer“ mit steinernem Tisch und Bank.

 

Entweder beziehen sich die Skulpturen auf ägyptische Vorbilder wie Sphinxen und Isis.

 

Jupiter, Demeter, Psyche, Persephone deuten auf traditionelle, klassische antike Vorbilder hin.

 

Das Felsgrab und die Bank scheinen der etruskischen Zeit zugehörig.

 

Die Dämonenmasken, der Drache und der Elefant scheinen aus der orientalischen Epoche zu stammen, sieht man einmal von ihrem schrecklichen Aussehen und ihre Größe ab.

 

Geburt und Wiedergeburt, Schöpfung und Neuschöpfung sind die großen Themen Orsinis

 

Man liest zahlreiche Inschriften mit verschlüsselten Bedeutungen. Nachzuvollziehen ist die Inschrift:

 

„Der Park soll erstaunen.“

 

Die Wirkung löst beim Besucher wahrhaftig Erstaunen, ja sogar Verblüffung, aus. Eine Wirkung, die alle Surrealisten erreichen wollten.

 

Einzigartigkeit und Unvergleichlichkeit könnte das Programm des Gartens sein.

 

Eine weitere Inschrift empfiehlt dem Besucher:

 

„Gehe mit gehobenen Augenbrauen und versiegelten Lippen“.

 

Eine weitere Inschrift:

 

„Er, der nur sich und keinem anderen gleicht.“

 

Eine Formel des maniristischen Subjektivismus, des besessenen Strebens nach Distanz und Unterscheidung.

 

In seinen letzten Lebensjahren stattete Orsini sein Anwesen mit folgenden Leitsätzen aus:

 

„Verschmähe das Irdische: nach dem Tode erst gibt es wahren Genuß“ (These)

 

An anderer Stelle heißt es hingegen:

 

„Iss, trink und spiel, nach dem Tode gibt es keine Begierde“ (Antithese)

 

Mit der Inschrift:

 

„Glücklich, die den Mittelweg wählen“

 

lobt Orsini die Weisheit der Mäßigung. Dieser letzte Satz stellt die Synthese aus den beiden vorgenannten dar.

 

Das Ganze endet in der Selbsterkenntnis:

 

„Du kannst nur gewinnen, wenn du dich selbst kennst“ und „Sei du selbst“. 

 

In Bomarzo scheinen die Weltregeln ihre Gültigkeit verloren zu haben, es ist, als ob der Garten sich den Gesetzen der Natur entziehen will.

 

Beim Betreten des „Schiefen Hauses“ versagt dem Besucher der Gleichgewichtssinn. Der Horizont kippt in die Höhe, Bäume und Büsche scheinen zu schwanken. Der Besucher des Parks wähnt sich in einer anderen Welt, auf deren Naturgesetze er seine Sinne erst einstellen muss. So wie das Gebäude, in dem er sich befindet, aus dem Lot geraten ist, so empfindet er sich auch im Sinne des Wortes „ver-rückt“. Hat sich der Besucher allmählich an die Schieflage gewöhnt, bestaunt er das Ambiente des Parks und seine Welt gerät erneut aus den Fugen.

 

Obwohl der Park mit seinen Monstern, Götterfiguren, skurrilen Architekturen und literarischen Anspielungen sowie den verschlüsselten Inschriften in seiner Art den zeitgleichen, im Latium entstandenen geometrischen Gärten entgegengesetzt zu sein, waren hier dennoch dieselben Architekten wie Vignola und Pirro Ligorio am Werk. Die heidnischen, aus dem Bereich der Fabel stammenden Mysterien, die in Bomarzo den Höhepunkt ihrer Darstellung fanden, wurden in den rationalistischen Gärten der Kardinäle in der Gartenanlage der Villa d’Este, in Bagnaia und in Caprarola aufgegriffen.

 

Dem Urteil:

 

„Er, der nur sich selbst und keinem anderen gleicht“

 

kann sich der Besucher nur anschließen.

 

 

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