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VII. Gartenkritik als Gesellschaftskritik 

 

Die Ablösung des Barockgartens erfolgte durch den Landschafts-Garten. Goethe, der nicht nur Dichter, Schauspieldirektor und Naturforscher sondern auch leidenschaftlicher Gärtner war, schreibt in seinen Wahlverwandtschaften: „Niemand glaubt sich in einem Garten behaglich, der nicht einem fremden Lande ähnlich sieht; an Kunst, an Zwang soll nichts erinnern, wir wollen völlig frei und unbedingt Atem schöpfen.“ So dachten auch die Gartenarchitekten der Aufklärung.
In England wurde der Garten neuen Stils erfunden, der Landschaftsgarten, der den Barockgarten ablöste und nach seinem Mutterland England, auch englischer Garten genannt wurde.
Die Anfänge lassen sich datieren in die Zeit zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Diese Ablösung war nicht etwa das Ergebnis von Diskussionen gegensätzlicher gartenkünstlerischer Meinungen, es handelte sich um eine geistige Auseinandersetzung von Dichtern und Philosophen des 17. und 18. Jahrhunderts.
Der regelmäßig-geometrische Garten wurde von ihnen als Ausdruck absolutistischer Ordnung gewertet. Lange bevor eine neue Gartenidee sichtbare Gestalt angenommen hatte, bildete die Kritik am Absolutismus also den Kern des Angriffs auf den herrschenden Gartenstil. Die Gartenkritik war Ausdruck einer neuen Naturwahrnehmung. Danach mußte jeder Eingriff Störung dieses – eines in sich funktionierenden – Systems, das Gesellschaft und Natur einschloß, bedeuten. 
 

Aus der Ablehnung des Eingriffes in die Natur mußte das Eintreten für die Natur die Folgerung sein. Diese radikale Kritik am architektonischen Garten war mehr als nur gesellschaftlich motivierte Verachtung, der architektonische Garten wurde als Verstoß gegen die Natur begriffen und das Gegenstück des verworfenen Gartenideals konnte Gestalt annehmen.
Die Frage stellte sich nun, wie das neue Gartenideal aussehen sollte. Sollte jetzt an die Stelle rationaler, künstlerischer Ordnung so etwas wie Urnatur treten, ohne den Eingriff der formenden Hand des Menschen?
Wollte man im Gegensatz zur geordneten, überschaubaren, gegliederten Welt des Hofes und des Gartens die Rückkehr in den Urwald, die Wildnis?
Wald und Wildnis waren im Mittelalter gleichbedeutend mit Bedrohung und Unheil, beinhaltete nicht nur Menschenferne, sondern auch Unwegsamkeit.
Das sich allmählich konstituierende neue Naturideal war weitgehend durch die poetischen Schilderungen der antiken Naturdichter und ihrer modernen englischen Nachfolger vorgeprägt. Landschaftsmaler, wie Poussin und Lorrain führten mit arkadischen Szenen den Menschen idealistische Landschaften malerisch vor Augen.
Damit beginnt ein neuer Gartentypus, der „Landschaftsgarten“.

Die Forderung nach einem Landschaftsgarten, der aus einer idealen Natur mit begehbaren Bildern besteht, wobei diese Bilder exakt auf den Blickwinkel des Spaziergängers hinkomponiert sind, ist bei dem neuen Gartenstil erfüllt.

Man kann sagen, dass die Kritik am bestehenden architektonischen Garten Ausdruck einer neuen Naturbewegung war, die durch die Naturphilosophen ausgelöst wurde. Man kann jedoch nicht sagen, dass die Kritik der Humanisten am absolutistischen System sich unmittelbar in dem neuen Gartenstil niederschlug. Vielmehr hatte sie m.E. für den neuen Gartenstil eine begünstigende Bedeutung, da das absolutistische System sich erst durch die Ideen der Aufklärung in ein liberaleres System, in einen liberaleren Absolutismus, verwandeln konnte.
Eine neue Naturwahrnehmung („Zurück zur Natur“) löste m.E. eine Veränderung des neuen Gartenstils mit der Forderung nach einem naturgemäßen Gartenstil aus.
 

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